Mut zum Aufbruch.
Mutig bin ich wohl schon immer gewesen: Als junge Kaufmannstochter verließ ich das zerbombte Nachkriegsdeutschland, um allein nach Amerika auszuwandern. Ich wusste, dass ich gut aussah. Mein Ziel war einen wohlhabenden Mann zu heiraten und dem Elend in einem vom Krieg zerstörtem Land zu entkommen. In Abendkursen absolvierte ich eine Hotelfachschule und wurde kurz darauf Chefin eines Jachtklubs in Miami Beach. Dort verkehrten die ganz Reichen, mein Plan ging wirklich auf: Ich heiratete einen amerikanischen Millionär. Als ich das Haus seiner Eltern mit den elf Bädern und Dienern sah, fühlte ich: Jetzt habe ich es geschafft! Fortan bewegte ich mich in der High Society und verbrachte meine Zeit mit Reisen, Kreuzfahrten, Cocktailparties und Shopping.
Mut zur Selbsterkenntnis.
Doch mit der Zeit empfand ich dieses Leben als Tretmühle. Wir haben alle ein Spiel gespielt und trugen Masken. Schließlich bin ich aufgewacht. „Wir müssen uns ändern um von dem vielen Alkoholkonsum weg zu kommen!“, sagte ich zu meinem Mann. Aber er konnte oder wollte das nicht. Ich ließ mich scheiden und fing mit meinen beiden Kindern weit weg von Florida in Kalifornien ein neues Leben an. Doch auch die neuen Freunde enttäuschten mich. In einer schlaflosen Nacht gelangte ich nun zu einer schmerzhaften Einsicht über mich selbst: Ich erkannte, dass ich auch nicht besser war als andere. Kurz darauf verkaufte ich mein Haus und meinen Schmuck und kaufte dafür ein Stück Land mit einer Scheune bei Mendocino. Ich lud Hippies ein, dort zu leben, und zog später mit meinen Kindern ebenfalls dorthin. Mut zur Einfachheit. Nach dem Reichtum und Luxus war das einfache Leben in der Natur etwas besonders Schönes. Wir waren auf der Suche nach einem anderen, echteren Dasein. Es entstand eine alternative Lebensgemeinschaft, die mit ihrer Kreativität und dem einfachen, naturverbundenen Leben ein Vorbild für die Welt sein wollte. Heute weiß ich, dass auch der neue Weg eine Sackgasse war. Ich bildete mir ein, eine „Hippie-Mutter“ zu sein und versuchte die jungen Menschen von den Drogen weg zu bekommen. Aber ich hatte ja selbst kein Ziel für mein Leben.
Mut zum Glauben.
Zusammen lasen wir viele Bücher und diskutierten über den Sinn des Lebens. Wir waren auf der Suche und probierten viele neue Angebote aus. Bis eines Tages ein junger Mann zu Besuch kam, der uns tagelang Stellen aus der Bibel erklärte. Ich wurde sehr zornig und wehrte mich vehement gegen das Christentum. Doch schließlich erkannte ich, dass ich mir selbst im Weg zu Gott stand, und gab den Kampf auf. Ich weinte, ging auf die Knie und bat Jesus Christus um Vergebung. Ich sagte zu ihm: Nimm mein ganzes Leben, und von jetzt ab leite du mich. Ich will nach Deinem Willen leben.
Mut zum Hören.
Mehr als zwei Jahrzehnte später, 1992, führte er mich nach Dresden. Als ich zum ersten Mal durch die Neustadt ging, bewegte mich das Elend dort so sehr, dass ich auf der Straße weinte. Da sprach Gott zu meinem Gewissen: „Ich schicke dich hierher.“ In mir sträubte sich alles dagegen; die Luft war so schlecht und die Straßen schmutzig. Mit meinen damals 68 Jahren kam ich mir zu alt für so eine Aufgabe vor. Aber Gott sprach weiter: „Nicht du gehst, ich gehe.“ Ich wusste: dies war meine Berufung, die gute Nachricht den Jugendlichen zu bringen.
Mut zum Dienen.
Inzwischen habe ich, gemeinsam mit vielen Helfern aus den umliegenden Gemeinden, das „Café Stoffwechsel“ in der Dresdner Neustadt aufgebaut. Diese sehr einfache, aber gemütliche Stube ist in den vergangenen Jahren vielen gestrandeten Jugendlichen zur zweiten Heimat geworden. Hier erlebten Punks und Straßenkinder die Großzügigkeit Gottes, der sie liebt und dem sie wertvoll sind. Die Leute staunen oft, wenn sie mich mit meiner geblümten Schürze sehen und dann erfahren, dass ich in jungen Jahren als Millionärsgattin im Jet Set Amerikas gelebt habe. Aber es ist mir wirklich eine Ehre, dass Gott mir diese Aufgabe zutraut und ich von Nutzen sein darf in dieser Welt. Ich bin eine Dienerin, ich habe die Gabe des Dienens.
Mut zur Demut.
„Demut“ – das ist „Mut zum Dienen“. Wir suchen oft ein glanzvolles Leben. Aber dadurch werden wir nicht glücklich. Meist kommen wir auf steinigen Wegen zum wahren Leben, und durch schwierige Umstände verbrennt Gott das Schlechte in uns. Dadurch lernen wir, uns ganz auf Gottes Zusagen zu verlassen und nicht mehr aus eigenen Hilfsquellen, sondern aus seiner Kraft zu leben. Das erfordert Mut – Mut zur Demut eben.
Heute haben wir zwei Wohnhäuser saniert, fast alles aus Spenden. Dazu haben wir ein drittes Haus in einem sanierungsbedürftigen Zustand erwerben können. Auch dort wollen wir Menschen aus den Randgruppen betreuen. Die Dresdner Tafel und die Bäckerzugaben helfen uns den Kindern täglich Mahlzeiten zu geben.