Stolpersteine oder Bausteine?

 

Ruth Henkert             Elim - Gemeinde Dresden

Stolpersteine oder Bausteine - Wie kann ich Belastungen meistern?


Dass es Steine in sich haben, stimmt wortwörtlich.

  • Welche gebündelte Energie steckt in Stein- und Braunkohle?!
  • Welch eine Schönheit in einem Achat?!
  • Welche Träume haben Menschen auf der Suche nach Gold, Silber und Edelsteinen beflügelt?!
  • Wie viel Glaube und Aberglaube verbindet sich mit Steinen?!

Man kann, wenn man Steine sammelt auch von den Steinen schwärmen:

  • wie unerschöpflich ist die Vielfalt der Steine
  • wie seltsam sie gezeichnet sein können
  • auch farbenprächtig und formschön sie sind
  • was sich alles mit Steinen machen lässt
  • wie uralt sie möglicherweise schon sind
  • welche Bekanntschaften, Erlebnisse und Eindrücke ich mit diesem oder jenem Stein verbinde

Es gibt Steine, die lästig sind (z.B. Nierensteine, Gallensteine, Zahnstein, Stein des Anstoßes) und Steine, die unverzichtbar sind bzw. etwas Gutes sind (z.B. Eckstein, Grundstein, Stein der Weisen, Stein, der vom Herzen fällt (wenn sich ein Problem löst), Mühlstein )

Redewendungen mit „Stein“
Stein der Weisen: Lösung aller Rätsel und Probleme
Jemand fällt ein Stein vom Herzen: Jemand fühlt sich erleichtert, atmet tief auf
Jemanden einen Stein in den Weg legen: Schwierigkeiten bereiten, dass jemand nicht voran kommt, Nachteile hat
Bei jemanden einen Stein im Brett haben: Bei jemanden Sympathien genießen
Den Stein ins Rollen bringen: Eine Angelegenheit in Gang bringen. Ein Stein kann eine Lawine auslösen

Man kann aber auch jemanden Steine in den Weg legen – Stolpersteine – die dem
anderen Schwierigkeiten bereiten sollen, Nachteile bringen sollen, ihn in seinem Tun
ausbremsen können. Damit versucht man ihm bewusst zu schaden, wehe zu tun.
Vielleicht um einen Vorteil zu erzwingen?
Haben wir vielleicht bewusst oder nur unbewusst anderen auch schon solche
Stolpersteine in den Weg gelegt?
Es gibt einerseits „Stolpersteine“, die mir andere in den Weg legen; es gibt aber auch
Situationen in meinem eigenem Leben, wo ich selbst solche Stolpersteine habe, über
die ich immer wieder neu falle. Aber warum?
Was passiert, wenn ich meine Stolpersteine gar nicht kenne?

  • Wenn ich falle, kann das sehr weh tun, ich werde verletzlich.
  • Vielleicht sind es bestimmte Charaktereigenschaften, die mich immer wieder zum stolpern bringen.
  • Ein Sprichwort passt da sehr gut: „Ich kann nicht über meinen eigenen Schatten springen“
  • Ich fühle mich vielleicht in eine Richtung getrieben, in die ich gar nicht möchte.
  • Im übertragenem Sinne können mich solche „Stolpersteine“ sehr stark belasten.

Ich möchte an dieser Stelle das Thema etwas eingrenzen:
Es gibt Belastungen im Leben, die nicht einfach so vom Tisch zu wischen sind, wo ich Zeit brauche, sie zu verarbeiten. Zum Beispiel bei Trauer um einen lieben Menschen, brauche ich auch die Zeit zum trauern, denn wenn ich es nur verdränge, wird es mich krank machen. Wie ich sie verarbeiten kann, wäre, glaube ich, ein extra Thema.
Aber besonders für die kleinen alltäglichen Stolpersteine gilt:
Es sind weniger die Umstände, die unseren inneren Menschen gefährden, als vielmehr unsere Art, auf sie zu reagieren. Ob ich etwas als Belastung empfinde, hängt wesentlich von unserer Wertung ab, von der Art, wie ich die Situation bewerte, welche Sicht ich habe.
Aber haben wir uns vielleicht auch schon einmal darüber Gedanken gemacht, was die Ursachen von solchen Belastungen sein können?
Belastungen kommen nicht nur von „außen“, sondern auch von „innen“.
Viele Menschen meinen, belastende Gefühle seien hauptsächlich durch äußere Ereignisse oder durch andere Personen verursacht.
Das trifft sicherlich auch manchmal zu, oft aber trifft gerade bei den alltäglichen Belastungen die folgende Aussage zu:
Unsere Gefühle werden nicht von einer äußeren Situation oder von anderen
Menschen geschaffen, sondern wir selber schaffen sie in uns.
Was möchte ich damit sagen:
Bei vielen alltäglichen Schwierigkeiten hängt es wesentlich von uns ab, welche Gefühle wir dabei empfinden. Ob wir etwas als Belastung empfinden oder nicht, ist weitgehend unsere Reaktion auf äußere Ereignisse.
Beispiel:

1. Beim Anblick von tobenden Kindern

  • bekommt die eine Mutter Kopfschmerzen und fühlt sich genervt 
  • die andere Mutter freut sich, dass die Kinder so ausgelassen und fröhlich sind.

2. Optimist – Pessimist

Das Glas ist halb voll - das Glas ist halb leer
Beide sehen das gleiche Bild, aber jeder sieht es anders

Beispiel: Das Bild der „Doppelgesichtigen Frau“

Ich kenne ein Bild, was der Künstler so gemalt hat, dass ich entweder eine junge Frau mit freundlichem Gesicht sehe oder eine griesgrämige Alte mit einer sehr langen Nase.
Auf den Blickwinkel kommt es an, was ich auf diesem Bild erkenne. Beides ist zu erkennen, aber nicht gleichzeitig.

Ein und dieselbe Person kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich reagieren:

Beispiel:
Wenn mein geplanter Tageslauf völlig durcheinander kommt, finde ich es manchmal ganz toll. Es ist wie ein Spiel, ich fühle mich aufgefordert kreativ und offen zu sein.
Fühle ich mich dagegen vorher schon unausgeglichen und ausgepauert, dann nervt mich diese unerwartete Aufgabe völlig – ich werde verbissen und angespannt.

Vieles hängt also von unserem inneren Kommentar ab. Negative Selbstbewertung kann Belastungen verstärken. Auch uns selbst, unser Tun bewerten wir oft mit:
„das schaffe ich nie“, „typisch für mich“ oder „ich bin eben nun mal unpraktisch“.

Sätze wie diese führen zu einem ungünstigen Selbstbild, das wiederum sehr zu belastenden Gefühlen beiträgt. Gerade bei uns Frauen ist die sogenannte Selbstliebe oft ein besonders dürftiges Pflänzchen. Für Jesus ist die Selbstachtung- ich spreche nicht vom Egoismus – die Voraussetzung für Nächstenliebe. Er sagt: „liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“.
Selbstachtung heißt, zu sich selbst „ja“ sagen zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ich nach außen sicher auftreten kann; Selbstachtung ist vielmehr, dass ich ein Stück weit unabhängig vom Urteil anderer Menschen bin.
Wie kann ich zu mir selber „ja“ sagen, wenn sich mir immer und immer wieder meine Unzulänglichkeiten wie Stolpersteine in den Weg legen? Wie gehe ich mit diesen Dingen um, die mich so belasten können? Was kann ich anders machen?

  1. Umdeuten
    Es hat Auswirkungen, wie ich etwas benenne und deute.
    Umdeuten beginnt damit, dass ich schon in Gedanken
    andere Worte verwenden kann.
    Zum Beispiel statt „Belastung“ von „Herausforderung“ sprechen.
    Ich stehe vor einer großen Herausforderung – das klingt doch ganz anders! Es klingt nicht so schwer, die andere Seite ist darin angesprochen, die kreative Sicht der Dinge. Bei „Belastung“ klingt meist das Gefühl der Überforderung mit. „Deuten“ ist einen aktive Reaktion – ich kann etwas aus der Situation machen.
     
  2. Glauben ist eine Weise, die Wirklichkeit von Gott her zu sehen
    Wenn ich mein Leben von Gott her deute, dann hat es uneingeschränkt ein Positives Vorzeichen – Gott hat auch mein Leben in der Hand.
    Römer 8,28
    Wir wissen aber, dass denen die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen. Gott meint es gut mit mir.

    Es gibt ein sehr schönes Gebet:
    Herr, gib mir die Gelassenheit Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann; und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden (Friedrich Christoph Oetinger)
     
  3. Den Bogen der Ewigkeit spannen
    Wenn ich mein Leben von Gott her sehe, fällt es mir leichter, zwischen kleinen und großen Problemen zu unterscheiden. Von Gott her gesehen, leben wir als Christen mit einer Hoffnung, die allem standhalten kann. Der Tod ist nicht das Ende.
    Die Stolpersteine meines Alltages werden kleiner, sie relativieren sich, wenn ich den Bogen der Ewigkeit, der sich über unser Leben, die Welt spannt, nicht vergesse.
     
  4. Humor
    Humor ist eine Lebenshaltung. Sie hilft uns zur Gelassenheit. Wir brauchen uns selbst nicht so ernst zu nehmen.
    „Humor ist der Schwimmgürtel des Lebens“ sagt Wilhelm Raabe. In dem kleinen Satz: „Man kann sich den ganzen Tag ärgern, aber man ist nicht dazu verpflichtet“, steckt sehr viel Weisheit.
     
  5. Selbstwert entwickeln
    Wenn ich meine Identität in Gott gefunden habe, muss ich mich selbst nicht mehr so ernst nehmen. „Im Vertrauen auf Gott, dass Gott mich mag, habe ich beschlossen, mich auch zu mögen.“
    Christliches Selbstbewusstsein ist: sich der Liebe Gottes bewusst zu sein. So kann ich zu mir selber stehen. So kann ich es bei mir selber „aushalten“
    So bekomme ich Mut, mich kennen zu lernen, wie ich wirklich bin, nicht nur, wie ich sein möchte.
    So kann ich gerade auch mit meinen Schattenseiten das Gespür für meinen unantastbaren Wert bekommen.
    Was dabei hilft, ist der Blick in die Bibel – Menschen – wie Du und Ich.
    z.B. Mose : Gott hat ihm die Befreiung Israels anvertraut – Er war ein Mörder – im Zorn hat er einen Ägypter erschlagen. Trotzdem wird er beauftragt.
    Petrus: Dreimal hat er Jesus verleugnet. Dreifaches Versagen. Und doch kann Gott ihn gebrauchen. Er ist der Fels, auf den die Gemeinde gebaut wird.
    Paulus – er soll sehr krank gewesen sein, aber wie hat Gott ihn benutzt. Er hat erfahren: „Lass dir an meiner Gnade genügen. Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“
    Jacob – Geschichte
    Er ist gestolpert im übertragenen Sinne. Er ist an einem Tiefpunkt seines Lebens angelangt. Er ist über seinen rücksichtslosen Erfolgswillen gestolpert, über seinen Ehrgeiz, immer der Größere sein zu wollen.
    Er nimmt einen Stein als Kopfkissen, vielleicht ist er zuvor in der Dunkelheit fast darüber gestolpert. Gerade jetzt, wo er auf seinem Stolperstein schläft, sieht er den Himmel offen.
    Er hat einen unvergesslichen Traum. Gott verspricht ihm einen sehr großen Segen für sein Leben.
     
  6. Meinen inneren Raum der Stille suchen
    Unsere Belastbarkeit schränken wir oft durch schlechtes Timing ein. 
    Stressforscher empfehlen: „Übergänge“, damit wir unsere Energie regenerieren können und uns nicht völlig erschöpfen. Der Vergleich mit der Autobatterie ist sehr gut. Eine fortlaufende Entladung ohne Pausen schädigt der Leistungsfähigkeit und Lebensdauer.
    Übergänge schaffen – wie:
    • Treppen laufen
    • kurzer Spaziergang
    • Kurzes Durchatmen am Fenster
    • oder auch einfach „Lächeln“

regelmäßige Zeiten der Stille sind eine wesentliche Säule beim Umgang mit
Belastungen.
Wenige Worte genügen manchmal und sind wie ein Gebet:
z.B. Durchströme Du mich mit Deiner Kraft hier bin ich – Gott
Ich halte Dir alles, was mich bewegt hin – verwandle du mich
Hier eigenes Beispiel: Kreisende Gedanken /Ärger, der uns wie in einem Gefängnis einsperrt. In der Gebetstunde habe ich mein Problem vor Gott „geworfen“ und sofort Befreiung erlebt – alles war plötzlich weg und ich habe mich gewundert, warum ich mich so über diese Sache geärgert habe.
Wenn meine Gedanken kreisen und ich nicht zur Ruhe komme, dann können auch Bibelworte helfen:
z.B. Ich glaube – hilf meinem Unglauben
Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten
Der Herr ist mein Hirte – mir wird nichts mangeln

Weitere Gedanken:
In der Bibel steht
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.
Gott will aus uns - mit allen unseren Fehlern etwas Besonderes machen.
Stolpersteine in unserem Leben können auch zu nützlichen Bausteinen werden.
Betrachte mal einen Damm, der brüchig wird. Die entstandenen Löcher lassen sich nicht mit schönen quadratischen Steinen stopfen. Manchmal tut es ein unmöglich aussehender schrumpeliger Stein, wenn er den richtigen Platz einnimmt, hat er eine positive Wirkung.
Ich möchte gern, dass wir versuchen, über Steine in unseren eigenen Leben nachzudenken, die uns in den Weg gelegt worden sind. Ich denke da an Erlebnisse, die mir zum Stolperstein geworden sind:
Wie nehme ich Belastungen in meinem Leben wahr?
Wie werde ich damit fertig?
Was sind meine Stolpersteine, meine alltäglichen Belastungen?

Stress?
Zerrissensein zwischen Beruf und Familie?
Angst vor dem Älterwerden?
Meine schlechten Nerven?

Jeder von uns hat andere Stolpersteine bekommen. Keiner ist gleich wie der Andere.
Ich denke, jeder von uns hat Stolpersteine – Belastungen mit denen er fertig werden muss.
Wir sehen, dass wir alle etwas haben, über das wir in unserem Leben stolpern können, was uns sehr fertig machen kann. Selbst ganz kleine Steine können uns unheimlich zu schaffen machen. Denken wir an den ganz kleinen Stein im Schuh oder das Staubkörnchen im Auge.
Das kann zu einer echten Belastung werden. Das kann uns am Weiterlaufen hintern, wenn wir an den Schuh denken oder uns völlig die Konzentration nehmen, wenn wir an das Staubkörnchen im Auge denken.
Das alles zeigt uns auch unsere Unvollkommenheit. Aber Gott liebt uns so wie wir sind.

Gedicht: Mut zur Unvollkommenheit

Wie danke ich Dir,
dass ich versagen darf, vor Dir und vor anderen Menschen!
Wie danke ich dir, dass ich dazu stehen darf,
Grenzen zu haben:
Grenzen des Glaubens,
Grenzen der geduld,
Grenzen der Belastbarkeit,
Grenzen des Könnens,
Grenzen der Liebe.

Wie danke ich dir, dass ich traurig sein darf und müde,
dass es Dinge geben darf, mit denen ich allein nicht fertig werde,
dass Verzichten und sich-Beschenken –lassen beide ihr Recht haben.
Sabine Naegeli aus den Buch: Die Nacht ist voller Sterne

Lasst uns die Stolpersteine versuchen zu überwinden, dass wir vielleicht lernen darüber hinwegzuspringen, manchmal sie zu umgehen. Fragen wir nach: Vielleicht sind diese Steine manchmal auch eine neue Weichenstellung in unserem Leben. Manchmal kann ein im Weg liegender Stein auch unsere Rettung bedeuten. Eine Erzählung sagt:
In China gibt es einen gefährlichen Strom. An einer bestimmten Stelle kamen die Schiffe immer wieder zum Kentern. Fachleute haben die Strömung erforscht und an einer genau berechneten Stelle im Strom einen Felsen aufgestellt. Darauf haben sie die Worte: „Auf mich zu!“ geschrieben. Zunächst sieht es so aus, als ob der Fels nur im Weg steht. Aber jeder Bootsfahrer, der sein Schiff auf den Felsen zulenkt, kommt heil durch die Strömung und Untiefen hindurch.

Ich wünsche mir, dass aus den Stolpersteinen viele neue Bausteine entstehen, die unser Leben gestalten, verändern und reich machen können.


Ruth Henkert
Elim-Gemeinde Dresden